Kosmoprolet 4
Erhältlich ab September 2015 | 208 Seiten | 5 € / 6 CHF
Herausgegeben von den »Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft» (Berlin), »eiszeit« (Schweiz) und »la banda vaga« (Freiburg)
■ Editorial
■ Abseits des Spülbeckens. Fragmentarisches über Geschlechter und Kapital
■ Reflexionen über das Surplus-Proletariat. Phänomene, Theorie, Folgen
■ Elend und Schulden. Zur Logik und Geschichte von Überschussbevölkerungen und überschüssigem Kapital
■ Moloch und Heilsbringer. Zur Geschichte und Kritik des Sozialstaats
■ Israel, Palästina und der Universalismus
■ Leiharbeit. Ende der Identifikation mit der Ausbeutung oder doch nur Waffe des Kapitals?
■ Zwischen Eigentor und Aufstand. Ultras in den gegenwärtigen Revolten
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Editorial
Das Jahr 2011, in dem die Leute an vielen Orten in Scharen auf die Straße und manchmal auf die Barrikaden gingen, wurde oft mit 1968 verglichen. Kommentatoren, denen Revolutionsromantik fern liegt, stellten verblüfft fest, dass weltweit sogar erheblich mehr Menschen in Bewegung geraten waren als im legendären Jahr der Revolte. Seitdem hat sich die Lage bekanntlich je nach Land eingetrübt oder pechschwarz verfinstert. Wo 2011 Plätze besetzt wurden, wie in Europa, herrscht wieder der bekannte Alltagstrott, ohne dass sich an den Gründen zum Aufbegehren etwas geändert hätte. Wo Diktaturen gestürzt oder wenigstens ins Wanken gebracht wurden, wie in der arabischen Welt, herrscht heute fast ausnahmslos das Militär oder ein Bürgerkrieg unter reger Beteiligung von Djihadisten. Aus dem großen Aufbruch ist nichts geworden, zumindest nichts Gutes. Fast scheint die Regel zu gelten, dass die Misere umso größer ist, je weiter die Rebellierenden gegangen sind. Stillhalten wird zwar nicht belohnt, aber wenigstens auch nicht bestraft.
Trotzdem plagt die Sachwalter der Ordnung weiter das Gespenst der Revolte. »Die Situation erinnert mich an 1968«, unkte ein hohes Tier des europäischen Staatenkonglomerats, als die Griechen neulich dem Spardiktat mehrheitlich ein Oxi entgegenhielten. »Es gibt in Europa eine weitverbreitete Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen, die schnell in eine revolutionäre Stimmung umschlagen kann. Es wird die Illusion erweckt, es gebe eine Alternative zu unserem Wirtschaftssystem, ohne Sparpolitik und Einschränkungen. Das ist die größte Gefahr, die von Griechenland ausgeht.«1
Der Befund stimmt nur zur Hälfte und darin liegt das Problem. An der weitverbreiteten Unzufriedenheit besteht kein Zweifel, zumindest für Griechenland kommt das Wort sogar einer gewaltigen Beschönigung gleich, schließlich hat dort in den letzten Jahren angesichts massenhaften Elends schiere Verzweiflung um sich gegriffen. Dass bereits die bescheidene Hoffnung, wenigstens nicht noch weiter zu verarmen, in der politischen Klasse die Alarmglocken schrillen lässt, sagt einiges. Eine Alternative zum existierenden Wirtschaftssystem aber hat anders als 1968 niemand aufgeworfen, die Protestierenden von 2011 so wenig wie die Athener Linksregierung von 2015. Beide eint vielmehr der Glaube, die drastischen Einschnitte ließen sich prinzipiell innerhalb der jetzigen Ordnung vermeiden, und ein Absehen von weiteren Kürzungen bei Renten, Löhnen, Staatsjobs wäre für diese Ordnung – Stichwort Massenkaufkraft – sogar von Vorteil. Insofern ist Syriza tatsächlich die Fortsetzung der Proteste mit anderen Mitteln; eine Fortsetzung ihrer Illusionen, mit Mitteln, die all das abschneiden, was an ihnen trotz dieser Illusionen vorwärtsweisend war: Selbstorganisation, Missachtung der Gesetze, direkte Aneignung, Konfrontation mit der Staatsmacht.